Wider die Einführung der Todesstrafe

Hinter der in unserer Zeit wieder öfter gestellten Forderung nach Einführung der Todesstrafe steht der Wunsch nach einer sichereren Gesellschaft. Das Böse und Dunkle will ausgemerzt werden. Nun gehöhrt aber diese Seite zum Menschen. Sie kann nicht zum Verschwinden gebracht werden. Es ist eine unserer Lebensaufgaben, uns mit ihr auseinanderzusetzten, mit ihr leben zu lernen.

Drei Argumente scheinen vordergründig die staatliche Ermordung zu legitimieren: die Rache, die Strafe und die Abschreckung. Wie sich im Folgenden zeigen wird, verlieren aber alle drei Argumente ihre Kraft, sobald man sie etwas genauer betrachtet.

Rachegelüste - Auge um Auge - sind zwar emotional verständlich, müssen dann aber bewusst eingeordnet werden. Die Ermordung eines Gewaltverbrechers - und um diesen handelt es sich vorläufig noch - bringt keine Linderung des Schmerzes und der Verzweiflung der Angehörigen des Opfers mit sich. In südlichen Ländern verursacht die Blutrache riesigen Schmerz - es ist kein gangbarer Weg.
Man kann auch argumentieren, dass die Todesstrafe nur eine harte aber gerechte Strafe für schlimme Vergehen zu sein habe. Damit wird aber nicht beachtet, dass die Strafe ein erzieherisches Mittel ist. Ein getöteter Mensch ist damit nicht zu erreichen! Damit ist die Strafe wiederum als Rache entlarvt.
Es bleibt noch die Abschreckung. In der Ausübung von Gewalt offenbart sich stets eine Notlage, eine Überforderung. Ein Verbrechen stellt damit eine Verirrung des Geistes dar; das "Böse" übernimmt die Herrschaft. In diesem Seelenzustand ist kein Raum und keine Zeit, an die Folgen zu denken. Der Mensch kämpft um sein seelisches Gleichgewicht und sieht nur noch in der Ausübung von Gewalt einen Ausweg. Die Drohung der Todesstrafe kann gar nicht wahrgenommen werden. Abschreckung kann nicht erzielt werden.

Damit ist augenfällig, dass die Todesstrafe keinen Sinn ergibt. Gewichtige Argumente sprechen dagegen. Zum einen ist jeglicher Justizirrtum nicht mehr korrigierbar, und zum anderen lässt die Todesstrafe keine Möglichkeit für Reue, für Sühne, für Verbesserung. Die Idee der Resozialisierung ist eine grosse Errungenschaft. Diese wünschbare Entwicklung darf dem Menschen nicht verunmöglicht werden!

Nein! Die Todesstrafe darf nicht eingeführt werden. Wir sollten unsere Kräfte gegen die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft sammeln. Hier lohnt die Anstrengung. Soziale Spannungen aller Art sind denn auch der Ursprungsort der Gewalt.


© Daniel Steinemann, Zürich Ende 1997